Alte Zöpfe abschneiden - ich liebe es!

Ein Hund liegt in seinem Korb, der Besitzer beugt sich rüber und Hund knurrt ihn an. "DAS lasse ich mir von MEINEM Hund nicht bieten!" ertönt es erbost und schwups fängt sich der Hund eine "Ohrfeige".

Das man Hunde nicht schlägt - ist hinlänglich bekannt - aber Hinweisen will ich mit diesem Beispiel auf einem uralten Zopf, den wir endgültig abschneiden sollten. 

Hunde kommunizieren mit Artgenossen und uns. Sie sprechen ihre eigene Sprache und darin verankert sind glasklare Signale in Form von Mimik, Gestik und Lautgebung über ihr Wohlbefinden. Wenn wir unserem Hund diese Form der Kommunikation verbieten, gar systematisch mittels Strafen austreiben, entziehen wir dem Hund eine ganze Palette von Ausdrucksformen mit denen er uns was signalisieren will.

Jahrelang galt das in der Trainerszene als gesetzt: Hund knurrt, damit stellt er Position des Besitzers in Frage, geht nicht, wurde solange bestraft, bis es nicht mehr vorkam. Hund dreht sich ab und schaut einem nicht direkt mehr an, ist Ungehorsam, verweigert die Unterordnung und und und.

Wir wissen Gott sei Dank heute besser, was das für eine Quelle vielerlei furchtbarer Erziehungsfehler ist und arbeiten anders. Nur leider ist es noch nicht in jedem Hundehalterkopf angekommen. 

Hunde haben genauso ein Gedulds-Fass wie wir Menschen auch. Manches wird einem verziehen, bei anderen Sachen fängt man an seinen Unmut zu äussern, weil es dem Hund dabei nicht gut geht. Bis hin zu dem Moment, wo einem der Faden reisst, die Warnungen immer noch ignoriert werden und es knallt. Beim Hund wird dann herzhaft und nachhaltig gebissen! 

Aber bis dahin zeigt er jede Menge subtiler Zeichen die seinen Unmut/Unbehagen kund tun. Raube ich die ihm - darf er sie nicht benutzen, so bleibt dem Hund nur eins: Stumm den Frust und Ärger in sich hineinfressen, bis zum Knall.

Turid Rugaas hat sich mit als erste dafür eingesetzt und untersucht, dass wir die "Sprache" der Hunde besser verstehen lernen. Sie hat eine Reihe von Signalen herausgefunden, womit der Hund seinen Artgenossen und uns Menschen deutlich macht, dass er die Situation unangenehm findet und diese für sich zu bereinigen versucht in dem er anfangs beschwichtigt, bis es auch ihm reicht und dann zuschnappt. Aus diesen vielen feinen verschiedenen Signalen liess sich im laufe der Zeit eine Eskalationsleiter aufstellen, in dem abzulesen ist, wie sich unser Hund fühlt - in der Situation und was er dann zeigt.

Und so kann ein "normales" Knurren bedeuten - "mir tut was weh - halte Abstand" - oder - "Dieser Futternapf gehört nun mir" oder oder oder...   Lasse ich diese Form von Kommunikation zu - öffne ich eine ganze neue Dimension im Umgang mit dem Lebewesen Hund. Wir lernen ihn zu respektieren mittels der ganz sanften und feinen Signale, die er vermag zu senden. 

Also bitte: Nicht die leisen Töne der Kommunikation auf Augenhöhe abtöten und zerstören, denn ich unterdrücke damit meinem Hund restlos. Dieser wird es bis zu einem gewissen Mass akzeptieren und tolerieren und sich dann aber gleich mit dem äussersten Kommunikationsmittel - dem Biss - Gehör verschaffen, wenn wir Grenzen überschreiten. 

Schaut Euch die Hunde an - lernt deren Sprache kennen immer in dem Kontext wo es passiert. Ein Signal steht nie für sich alleine, sondern ist ein Zeichen unter vielen, angepasst an die Situation in der es getätigt wird. So kann doch auch beim Mensch z.B. ein Augenzwinkern einen frechen Kommentar begleiten im Dialog oder Ausdruck sein, dass die Kontaktlinse klemmt. 

Wer Schwierigkeiten hat seinen Hund zu lesen, es gibt jede Menge guter Bücher dazu oder setzt Euch in einen Park und beobachtet andere Hunde, was euch dabei auffällt.

Dabei werdet ihr feststellen, dass neben all den verschiedenen Ausdrucksformen auch noch die Form des Hundes selber eine Rolle spielt! Ja, einem Hund, dem im gesamten Gesicht nur Haare sind, den kann Hund und Halter schwerer lesen, wie einem Hund, wo die Augen und Mundpartie frei liegen.

Gleiches gilt für Ohren und Rute. Sind die fast in Gänze abgeschnitten oder in Form getrimmt so fehlt da eine ganze Palette an Ausdrucksformen die diesen Körperteilen zur Verfügung sonst stehen in der Kommunikation. 

Aber wer sich die Mühe macht, diese Bandbreite an Signalen seines Hundes besser zu verstehen, der vertieft seine Beziehung zum eigenen Hund um Längen und kann im Umgang mit anderen Hunden, die Situationen besser einschätzen und seinen Hund vor vielem beschützen und Sicherheit bieten. Also - schneidet bitte diesen alten Zopf ab und lernt "hündisch".


Quelle: Beitragsbild ist entnommen von dem wundervollen Blog von Trainerkollegen unter  https://www.trainieren-statt-dominieren.de/blog